Christiansen’s Biolandhof • Schleswig
Seedling-Partnerhof Nr. 7
Evas Erd-Mensch. Im Blogbeitrag siehst Du die Entstehung via Film und vieles mehr!
Gemälde von Eva auf einer Halle von ihrem Biohof Warmuth
Ganz im Süden Deutschlands lagen die letzten beiden Partnerhöfe unseres Projektes SEEDLING on Tour, der Ralzhof am Bodensee und der Demeterhof Funk in der Augsburger Gegend. Der nächste Hof führt uns in den hohen Norden nach Schleswig, direkt in den Windstrom zwischen zwei Meeren, zwischen Nordsee und Ostsee!
Für die Reise durch ganz Deutschland gibt es sehr viel vorzubereiten. So kann Silke erst spät am Abend mit der Fahrt starten. Nachts um 1:00 Uhr erreicht sie das Strohhaus, den Biohof Warmuth. Sie hat ihr Bett im Bus immer dabei und kann darin auf vertrautem Boden übernachten.
Allerdings werden sich Eva und Silke hier noch nicht begegnen. Silke hat noch ein Date bei „Moving Bones“ in Hannover. Die Abfahrt von Wargolshausen findet deshalb schon morgens um 6:30 Uhr statt – unbemerkt. Zuvor gibts aber noch ein kleines Fotoshooting vom Hof.
Barbara Maria Rudolf & Heinz-Peter Christiansen
1983 hat Heinz-Peter Christiansen den gleichnamigen Hof von seinen Großeltern geerbt, als er gerade aus dem Entwicklungsdienst in Brasilien zurückkam. Der Diplom-Agrarwirt hat den Hof mit einer Idee übernommen: nachhaltige ökologische Landwirtschaft. So bewirtschaftet er ihn von Anfang an biologisch. Seit 1995 unterstützt ihn Barbara Maria Rudolf mit leidenschaftlichem Engagement.
Um der Entwicklung der zunehmenden Kontrolle von Saatgut-Züchtung durch wenige multinationale Konzerne, die in enger Verbindung zur chemischen Industrie stehen, entgegenzuwirken, haben Heinz-Peter und Barbara Maria bereits 2006 damit begonnen, eigenes Saatgut zu vermehren.
In dem Wissen, gemeinsam mit anderen aktiven Menschen einen wertvollen Beitrag zu auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft zu leisten, bauen sie in Schleswig-Holstein eine Vielzahl Saatgut-Sorten an, die man als „sortenfest“ bezeichnet. Als Mitbegründer der Initiative Saat:Gut e.V. engagieren sie sich als passionierte Öko-Landwirte für das Thema Züchtung – auf internationaler und politischer Ebene.
25.07. – 31.07.21: Seedling on Tour zu Gast auf dem
Christiansen’s Biolandhof, Kamper Weg 6, 24887 Silberstedt/Esperstoftfeld
Wir erreichen unseren bisher an Fläche und Mitarbeitern größten SEEDLING–Partnerhof und sind beeindruckt von der stattlichen Gestaltung des Betriebs! Der eigene LKW steht da wie ein Symbol für all das, was hier am Hof geschaffen wird.
Barbara-Maria Rudolf:
„Was ich an Heinz-Peter so liebe, ist sein unbedingter Wille zum Erfolg.“ Dieser Erfolg hat sich eingestellt. Aus dem kleinen Familienbetrieb, der über eine Generation hinweg verpachtet war, hat sich seitdem Heinz-Peter Christiansen Betriebsleiter wurde, ein moderner Gemüsebaubetrieb mit über 20 verschiedenen Gemüsekulturen entwickelt.
Heinz-Peter Christiansen beantwortet uns die wichtigste Frage unseres Projektes und erzählt über Züchtung und grundlegende Zusammenhänge zwischen Pflanzen und Menschen.
Man kann es manchmal gar nicht glauben, was alles damit verbunden ist, wenn man so ein kleines Korn sieht.
Wenn wir uns bei einer Möhre die Farbe, die Länge, die Schultern und diese ganzen Kriterien anschauen und sagen: « Das ist jetzt unsere Treenetaler Möhre », zum Beispiel. Und dann kommt in der nächsten Generation eine Treenetaler Möhre heraus, die genauso schön die Muttereigenschaften an die nächsten Generation weitergibt. Das ist das Faszinierende!
Es ist so ähnlich wie mit unseren Kindern: da ist es ja auch so auffällig.
Auffällig beim Kohl ist allerdings, dass die Muttereigenschaften in der nächsten Generation immer stärker ausgeprägt sind und sich erst nach mehreren Jahren wieder nivellieren. Die Vatereigenschaften kommen in den ersten Jahren nicht so stark durch.
Kohl ist eine Zwitterpflanze. Wenn ich zwei Kohlpflanzen habe, befruchten sich beide gegenseitig. Und beide sind Mutter und Vater gleichzeitig. Die eine Mutterpflanze sieht im nächsten Jahr aus wie die Mutter, und die andere sieht wie die andere Mutter aus, die der Vater von der Pflanze war.
Es ist erstaunlich, dass das nicht ein einfacher Austausch ist, sondern dass da viel mehr drin steckt. Das kann man vielleicht ähnlich bei den geistigen Eigenschaften von Kindern sehen. Da ist eben auch nicht gleich alles sichtbar, sondern nur ein Teil davon. Das andere, was angelegt ist, entwickelt sich dann erst.
Wenn ich das bei vielen Menschen oder auch bei mir selbst so sehe, dass man im Alter dann doch plötzlich merkt, dass man mehr Eigenschaften von seinem Vater oder seiner Mutter in sich selbst findet, während man mit 20 Jahren ja eigentlich erst einmal ganz weit weg davon sein wollte…
Und trotzdem findet man das alles in dem kleinen Samenkorn wieder. Das ist schon ein Wunder, was da passiert.“
Auf unserer Reise lernen wir die vielfältigsten Herausforderungen der GärtnerInnen kennen: den Boden, die Pflanzen mit ihren unterschiedlichen Vorlieben und Abneigungen, Wetterbedingungen und vieles mehr. Wir erfahren aber auch von den Steinen (oder sagen wir positiv formuliert, den Herausforderungen), die den GärtnerInnen in den Weg gelegt werden.
Heinz-Peter Christiansen erzählt uns, dass er bis zu 60 Kriterien für eine neu gezüchtete Gemüsesorte beachten und erfüllen muss.
Er spricht von seinen Möhren fast wie von Lebewesen und erwähnt unter anderem die „Schultern der Möhren“, die eine gewisse Breite brauchen, um zur Züchtung verwendet werden zu können. Die Schultern sind der obere Teil der Karotte.
Als Kinder hatten wir das Bilderbuch „Das ABC der kleinen Tomate“, in dem Professor Artischocke die kleine Tomate unterrichtet. Vielleicht ist dieses Buch eine spezielle Vorbereitung für mich (Silke) gewesen, um Gemüse als Lebewesen betrachten zu können. Jedenfalls ist es meine feste Überzeugung, dass jeder Same, den wir pflanzen, ein Teil von uns ist. In dem Zusammenhang ist es besonders interessant zu sehen, was mit unserem Gemüse „normalerweise“ angestellt wird (vom intensiven Spritzen mal ganz abgesehen).
Dafür ist es wichtig zu wissen, dass zwischen Samenfesten Sorten und Hybriden unterschieden wird.
Samenfeste Gemüsesorten sind nachbaufähig. Mit ihnen ist es möglich, Jahr für Jahr Samen zu ernten und so eigenes Saatgut zu gewinnen.
Die daraus entstehenden Pflanzen weisen dieselben Sorteneigenschaften auf wie jene, aus denen man das Saatgut entnommen hat. Sie sind in der Lage, sich an die eigenen Standortbedingungen anzupassen und mit den jeweiligen klimatischen Bedingungen im wahrsten Sinne des Wortes „mitzuwachsen“. Auf diese Weise können sich auch neue Sorten herausbilden. Sie entstehen aus der sogenannten Selektionszucht. Dabei werden die schönsten Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften ausgewählt, miteinander gekreuzt und über viele Jahre nachgebaut, bis eine samenfeste Sorte entsteht.
Nur in der Welt der samenfesten Sorten gibt es eine so große Diversität. Dieses breite Spektrum ist ein notwendiger Pool um vielfältiges, hochwertiges, individuelles Gemüse anbieten zu können, das unter verschiedensten Bedingungen wachsen kann und um neue samenfeste Sorten zu züchten. Durch diese Art der Züchtung ist über Jahrtausende die bunte Vielfalt unserer Kulturpflanzen entstanden.
NATÜRLICHER PROZESS DER BEFRUCHTUNG DURCH INSEKTEN
Die Gärtner:Innen im ökologischen Landbau möchten am liebsten samenfeste und ertragreiche Sorten haben, die in der Lage sind sich an die jeweiligen Standorte anzupassen. Dabei werden die meisten samenfesten Sorten durch Insekten bestäubt. Das sind altbewährte Methoden, die fruchtbare, gesunde und wohlschmeckende Ergebnisse bringen.
Man kann sich die Entstehung einer samenfesten Sorte wie einen kraftvollen Stammbaum vorstellen.
Barbara Maria Rudolf erzählt uns:
„Pflanzen sind die Gastgeber des Lebens auf diesem Planeten. Wir verdanken ihnen alles! Sie haben unseren Respekt und unsere Dankbarkeit verdient. Pflanzen sind Wesen und Mitgeschöpfe: sie haben einen eigenen Daseins-Sinn (das ist auch in einer Charta der UN mal anerkannt worden).
So tief in das Innerste eines Mit-Wesens einzugreifen, ohne Mitgefühl und Liebe als oberste Motivation, ist auch unter ethischen Gesichtspunkten in Frage zu stellen. Jedes Herausnehmen (Artensterben) hat Folgen auf vielfältigen Ebenen und natürlich auch jedes Hinzufügen/Verändern.
Die Welt braucht uns nicht, aber wir brauchen die Welt.“
Hier am Christiansen’s Biolandhof ist es der Blumenkohl, mit dem Eva die Throndekoration für unsere Interviews kreiert. Imposant und stattlich strahlen die Blumenkohlköpfe über der Lehne des Throns.
Eva: „Da gibt es zwei Farben, die ich den Personen Barbara Maria und Heinz- Peter zugeordnet habe.
Eine Farbe steht für das, was unter der Erde geschieht. Es sind Hände abgebildet, die tief in die Erde hineingreifen. Das ist ganz praktisch zu verstehen, denn hier werden Kartoffeln, Möhren und Pastinaken angebaut, deren erntbare Früchte unter der Erde wachsen. Zum anderen ist es auch ein Bild für den Geist der Menschen, die hier leben und arbeiten. Sie haben eine Bindung genau an diesen Ort, der von den Ahnen übergeben wurde. Das bedeutet auch diesen Ort zu schützen und zu bewahren für kommende Generationen. Auf dem Christiansen’s Hof weiß man, dass alles, was auf der Oberfläche unserer Erde getan wird, bis in die Tiefe hineinwirkt.
Die Ackergifte, die, zwar nicht auf diesem Hof, doch auf den meisten Höfen der Umgebung, in den 60er Jahren völlig sorglos ausgebracht wurden, sind inzwischen im Grundwasser und in 60 m tiefen Brunnen angekommen. Hier besteht ein Bewusstsein für das Prinzip von Ursache und Wirkung. Was in die oberen Bodenschichten gefüllt wird, gelangt mit dem Regenwasser bis ins Grundwasser und in die Brunnen. Von dort kommt es als Trinkwasser wieder zu uns zurück. Barbara Maria Rudolf und Heinz-Peter Christiansen beobachten und korrigieren diese Entwicklung und setzen mit ihrer Arbeit und Forschung neue zukunftsträchtige Zeichen.
Die andere Farbe ist blau und zwar dasselbe Blau, das im Logo dieses Hofes verwendet wurde. Es hat eine besonders schöne Strahlkraft und steht für den Bereich, der über der Erde sichtbar ist. Außerdem sind auf diesem Abschnitt der Fahne Pastinaken im Samenstand abgebildet. Das ist ein anderer wichtiger Betriebszweig auf dem Christiansen‘ s Biolandhof. Hier werden seit vielen Jahren Gemüsesorten für den Erwerbsanbau gezüchtet und vermehrt. Über den Verein Saat:gut e.V. gehen die Saaten in die Welt, werden zu Nahrung und damit Teil der Körper von uns Menschen.
Das kleine Saatgut, das im Boden wächst, wird zu einer stattlichen Pflanze und durch den Verein Saat:gut e.V. zu einem politischen Statement mit internationaler Strahlkraft.
Das Vlies drückt die Tiefe und Weite aus, die am Christiansen‘ s Biolandhof beheimatet sind.“
An diesem Tag fährt fast der ganze Hof zu einem anderen Acker des Christiansen’s Biolandhof. Die Landwirte sind hier gut vernetzt und heute steht die Ernte der Pastinakensaat an. Es sind viele Hektar Pastinake angebaut. Das Feld ist so groß, dass es maschineller Unterstützung und entsprechend Manpower bedarf. Immer wieder sind die GärtnerInnen und Bauern damit konfrontiert kreativ sein zu müssen und neue Wege, z.B. für die Ernte, zu erfinden. Hanfbauern aus der weiteren Umgebung kommen hierfür mit ihrer eigenen ausgeklügelten Erntemaschine zur Hilfe. Für die Pastinakenernte ist es zunächst ein Experiment. Denn die Pflanze reagiert anders, die Höhen sind unterschiedlich – ein Happening… Aber es klappt! Die Pastinakensamen werden unten am Stil geerntet und fliegen im hohen Bogen und in großen Bündeln auf den Hänger. Es gibt viel zu beachten, damit soviel der Ernte wie möglich aufgefangen wird und nicht zuviel auf den Acker zurückfällt.
Die letzten Monate war es in Esperstoftfeld sehr trocken. Aber ausgerechnet an diesem wichtigen Tag beginnt es zu regnen. Das bedeutet sofortigen Abbruch der Ernte. Alle Schlepper, Maschinen und Menschen müssen den Heimweg antreten und die bange Frage bleibt, ob die vielen restlichen Pastinaken ohne allzu großen Verlust noch geerntet werden können.
Ich beobachte diese unglaubliche Bewegung auf den Feldern: es ist ein enormer Einsatz. Alle fahren ab, es regnet und geht auf den Abend zu. Ich bleibe in meinem VW-Bus sitzen, warte und beobachte die Stimmung. Es fühlt sich noch nicht richtig an, abzufahren. Nach ca. einer halben Stunde hört es auf zu regnen. Wie auf den Höfen zuvor zeigen sich wieder wunderschöne Regenbogen und spannen sich über die Weite der Felder.
… zwischen Pastinaken- und Blumenkohlfeld
Ich steige aus, gehe durch die regendurstende Luft und betrachte den Acker… Genau jetzt ist der Ruf: es ist Zeit zu tanzen. Alleine, in dieser Weite.
Heinz-Peter Christiansen bat mich darum, mich mit dem Blumenkohl zu beschäftigen und zu spüren, was dieser brauchen könnte. Der Blumenkohl wohnt auf dem Nachbarfeld der Pastinaken. Blumenkohl und Brokkoli sind Gemüsesorten, die sehr viel mehr Aufmerksamkeit brauchen als andere. Eine neue samenfeste Blumenkohl-Sorte zu züchten, ist eine große Herausforderung.
Ich muss mich erstmal frei machen, um mich peu à peu auf diesen Ort einzulassen, um aus meinen Konzepten zu kommen und mich so berühren zu lassen, dass ich bewegt werde (und nicht ich mich bewege) und mich zu öffnen für einen Austausch, ein „Gespräch“.
Zunächst erlebe ich den wunderschönen schwarz-sandigen Streifen zwischen den beiden Feldern, mit dem immensen Himmel, der hier atmet und widme mich immer mehr den beiden unterschiedlichen Gemüsesorten.
Mich interessiert, wie sich die Pflanzen im Miteinander und Nebeneinander an diesem Ort „fühlen“ und ob es Dinge gibt (ähnlich wie bei einer Familienaufstellung), die nach Lösung suchen.
Ein paar Augenblicke konnte ich mit der Kamera einfangen 😉 seht selbst.
…Suche nach dem idealen Performanceort
Der letzte Tag hier am Christiansen’s Biolandhof ist angebrochen. Heute Abend soll unsere Abschlusspräsentation, unsere Performance stattfinden. Nur wo? Silke ist seit Beginn des Aufenthaltes auf der Suche und hat schon viele interessante Orte entdeckt. Der weite Acker mit der schwarzen Erde böte sich an und ließe viele Bilder performativ umsetzen. Auch der große, parkähnliche Garten zwischen Wirtschaftsgebäuden und Haus bietet spannende Stimmungen und Bilder. Aber angesichts des launischen Wetters trauen wir uns nicht Anlage, Bestuhlung, Bühnenbild, etc. aufzubauen.
Während Eva ihren Erdmenschen formt, geht Silke auf Pirsch und findet das schöne, helle, große Gewächshaus, das gerade zum Umbau ausgeräumt wird. Heinz-Peter ist von der Idee angetan und obwohl Silke wegen der Stangen knapp oberhalb der Köpfe noch skeptisch ist, besprechen beide, wie und wo Performance und Aufbau hier stattfinden können.
Beim Spaziergang zurück zum VW-Bus macht Silke allerdings noch einen Schlenker in ein Gebäude, in dem sie bislang noch nicht war. Am Ende der großen Halle, in der z.B. die Karottenwaschanlage arbeitet, gibt es ein Tor zu einem riesigen weiteren Gebäude. Und sofort ist klar: Das ist es! Diese immens hohe und große, kalkfarbige Halle mit den großen Ernteboxen wird unsere Performance-Location! Die Halle erinnert Silke an Kampnagel (eine der größten Veranstaltungs-Locations der freien Tanzszene Deutschlands) oder an den urigen Charme des alten VW-Kraftwerks in Wolfsburg, in dem die Movimentos-Festspiele stattfanden.
Heinz-Peter ist perplex angesichts der Nachfrage, ob der aktuell pausierende Kühlraum wirklich geeignet sei, Stimmung und künstlerischen Genuss zu vermitteln… na klar ist er das!
Silke über die Arbeit an ihrer Performance:
„Wir sind hier am Hof ganz oben im Norden, am Rande Deutschlands, fast schon in Dänemark. Das Land strahlt sehr viel Weite aus und die Lage zwischen Nord- und Ostsee ist durch den pfeifenden Wind immerzu spürbar. Ein riesengroßer Hof mit immensen Flächen voller tief-schwarzer, mooriger Erde und stattlicher Gewächshäuser… und gleichzeitig ist hier das Tor zur Welt: so fühlt es sich für mich an.
Die Arbeit von Barbara Maria und Heinz-Peter reflektiert hinaus in die Welt: von der direkten Produktion des Saatguts, über das Gemüse bis hin zum Wirken in der Politik.
Das Bild von Spiegelungen, Reflexionen, Licht lässt mich hier nicht los: In die Welt hinausstrahlen und gleichzeitig Spiegelbild und Projektionsfläche sein…
Barbara Maria Rudolf ist neben ihrer Züchterarbeit, dem Engagement für diverse Vereine rund um Schutz und Entwicklung von ökologischem, samenfestem Saatgut und ihrer politischen Tätigkeit auch Yogalehrerin. Zudem hat sie jede Menge Erfahrung in der Ausrichtung größerer Veranstaltungen. Der Performanceabend findet im privaten Rahmen mit ausschließlich geladenen Gästen statt. Der Kühlraum verwandelt sich innerhalb kürzester Zeit in einen knisternden Theaterraum.
Eva hat ihre beweglichen Ackervliese für die jeweiligen Höfe genau für solche Situationen kreiert. Sie sind dafür da, unsere Erlebnisse und die damit verbundenen Stimmungen an den verschiedenen SEEDLING-Partnerhöfen einzufangen und mit an andere Orte zu bringen.
Das größte Ackervlies, das Eva auf unserem zweiten SEEDLING Partnerhof, dem Biokräuterhof, gemalt hat, passt auf den Zentimeter genau in diese Halle. Wir können es mithilfe eines Gabelstaplers und eines Gerüsts an den Metallschienen an der Kühlhausdecke befestigen und staunen nicht schlecht, dass das Vlies exakt bis auf den Boden hinunterreicht. So werden die Gemüsebauern zu Bühnenarbeitern – und es fühlt sich wieder so an, als wären beide Welten im Grunde eng miteinander verbunden.
Kleinbäuerliche Strukturen bewegen sich im Geflecht der Natur und arbeiten mit den natürlichen Entwicklungszyklen der Pflanzen. Biolandwirte versuchen MIT der Natur zu arbeiten und akzeptieren bestimmte Grenzen. Sie versuchen die Landwirtschaft weiterzuentwickeln, indem sie genau hinschauen und mit natürlichen Methoden arbeiten.
Verloren gegangener Ackerboden kann regeneriert werden, wenn man Agroforstsysteme schafft und das Wasser zurückholt. Es mangelt nicht an natürlichen Methoden, um die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern. Es mangelt am Willen, sie anzuwenden, auch wenn kein Konzern Milliardenumsätze damit generieren kann.
Die Pflanzen schaffen die beste Anpassung an veränderte Klimabedingungen selbst, wenn die Gärtner:innen sie im Freiland sich mit dem Wetter auseinandersetzen lassen. Dann können diejenigen Pflanzen selektiert (ausgewählt) werden, die mit den neuen Umständen klarkommen. Wir bewegen uns nicht nur in einem Netzwerk von Ursachen und Wirkungen in der Natur, sondern in einem multidimensionalen Netzwerk.
Bis eine ökologische Züchtung marktfähig ist, dauert es viele Jahre. Der letzte Schritt ist die Anmeldung beim Bundessortenamt. Bis dahin sind durchschnittlich 12-20 Jahre Arbeit nötig. Diese Arbeit wird in der Regel durch Fördervereine unterstützt, aber dennoch nur bedingt bezahlt.
Trotzdem kümmern sich die Bio-Bauern darum, dass dieses wertvolle Gut für uns und unsere Gesellschaft bewahrt wird und sichern so die Zukunft der ökologischen Landwirtschaft. Samenfeste Sorten werden dafür zusätzlich weiterentwickelt, damit es nicht nur alte samenfeste Sorten gibt, sondern auch moderne, die zugleich leistungsfähiger sein können, als die alten Sorten.
Eine Form von nachhaltiger Politik wäre es, diesen Sortenfortschritt für samenfeste Sorten von gemüsebaulichen Kulturen zu ermöglichen.
Wie entsteht ein Kunstwerk?
Aus dem unbedingten Wunsch, etwas dem Ort Entsprechendes zu erschaffen. Dazu gehört das Streunen über den Hof und durch den Garten – das Lauschen, Schauen, Wahrnehmen, mit allen Sinnen Aufnehmen.
Die eigentliche Idee für eine Arbeit entsteht meist im Loslassen. Wenn ich gar nichts mehr denke und ganz in der Wahrnehmung bin. Da tauchen Bilder vor dem inneren Auge auf und dann werde ich ganz aufgeregt, weil klar wird, dass genau dieses Projekt verwirklicht werden muss.
So kam ein Bild zu mir, dass aus dieser dunklen, sandigen Erde ein Kopf entstehen möchte. Ein Erdwesen schaut heraus.
Gleich in der Frühe habe ich meine Werkzeuge gesammelt, den Platz aufgesucht, der mich gerufen hat, meine Kamera postiert und angefangen.
Als mich der Erdmensch dann wirklich angeschaut hat, war ich überrascht und beglückt. Er hat ein freundliches Wesen, mit weit geöffneten Augen. Er wirkt satt und glücklich. Mir scheint, dass sogar eine gewisse Ähnlichkeit zu Heinz-Peter besteht.
Gedanken von Eva zu ihrem Kunstwerk:
„In vielen Kulturen gibt es die Vorstellung, dass der Mensch aus Erde geformt und durch den Atem Gottes beseelt wird. Dieses Motiv wird hier aufgegriffen.
Außerdem habe ich den Eindruck ganz am Kern unseres Themas „SEEDLING“ zu sein. Die Erde ist der Leib, in den das Saatgut gesetzt wird und aus ihrem Inneren wird das neue Leben geboren. Alles Lebendige wurde aus dem Baustoff Erde erschaffen, Mensch, Tier, Pflanze. Wenn wir sterben, kehrt das Stoffliche in den „Leib von Mutter Erde“ zurück.
Als ich mit dem Formen begonnen habe, wußte ich nicht, was mich da anschauen wird. Jetzt sehe ich ein Wesen, das hier auf dem Christiansen’s Hof vollkommen glücklich ist.“
Beim nächsten Regen wird der Erdmensch wieder verschwinden, was Heinz-Peter nicht gefallen hat. Er konnte sich wohl gut mit ihm verbinden, und da er selbst noch so vieles in seiner Züchtung erreichen will und deshalb noch lange nicht gehen will, gefällt ihm das schnelle Verschwinden des Erdmenschen überhaupt nicht.