Ralzhof – Salem

Seedling-Partnerhof Nr. 5

Hof 5: Ralzhof

Destillat: Performance • Kunst • Film

Hof 5: Ralzhof
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Seedling – Cleansing

Hof 5 „Ralzhof“, Salem • © 2021

Silke Kwan Hea: Performance, Idee, Schnitt
Angelika Warmuth: Musik, Gesang, Performance
Eva Warmuth: Performance
Vera Becher: Musik
Nadine Lang: Kamera

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Erlebe hier mehr!

Hof 5: Ralzhof
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Züchtung – Forschung – Musik

Hof 5: Ralzhof
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Das Hofgut Rengoldshausen mit dem Ralzhof am Nordufer des Bodensees zählt zu den ältesten Demeter-Höfen der Welt. Bereits seit 1932 wird dort biologisch-dynamische Landwirtschaft betrieben.

Heute leiten Vera Becher und Iris Attrot den Ralzhof, wo der Bereich Samenbau sein Zuhause hat, und kümmern sich auf gut zwei Hektar Freiland- und 1000 m² Folientunnel um den Anbau von sortenfestem Saatgut.

Neben einer vielfältigen Vermehrungstätigkeit arbeitet Vera züchterisch vor allem an Freilandkulturen mit Schwerpunkt Blattgemüse.

Iris ergänzt seit 2013 die Palette der züchterisch bearbeiteten Kulturen um den Bereich Fruchtgemüse.

03.07. – 08.07.21: Seedling on Tour zu Gast auf dem Ralzhof in Salem.

Hof 5: Ralzhof

Die Vermehrung und Züchtung von Saatgut und die dazugehörige Forschung haben am Ralzhof eine lange Tradition. Vera und Iris führen diese mit ihrer leidenschaftlichen Arbeit fort.

Bei der Züchtung wird zwischen Erhaltungs- und Neuzüchtung unterschieden.

Nach der Philospohie des Hofes ist die Natur auch im Rahmen der Landwirtschaft selbst und ohne fremdes Zutun in der Lage hervorzubringen, was für die Ernte-Erzeugung gebraucht wird.

Hof 5: Ralzhof
Dies wiederum erfordert eine ganze Reihe wichtiger Voraussetzungen wie die natürliche Beschaffenheit des Erdbodens und einen achtsamen Umgang mit und zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen.
 
Vera ist neben ihrer Arbeit als Gärtnerin passionierte Sängerin und spielt Geige und Steinorgel.

Ankunft

Bei unserer Ankunft begrüßen uns zuallererst die Störche, die an und um den Ralzhof herum beheimatet sind. Wir sehen sie hoch oben in ihren Nestern auf den Scheunendächern, wie sie das weite Tal bewachen, in dem eingebettet der Ralzhof liegt. Majestätisch ziehen sie ihre Runden.

Es hat etwas fast Unwirkliches und wir atmen den Duft von Freiheit.

Hof 5: Ralzhof
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Auf den Ralzhof begleitet uns unser „neues“ Team-Mitglied, Angelika Warmuth.
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Angelika ist eine wundervolle Sängerin, Musikerin, Performerin und Evas Tochter. Sie bereichert uns mit ihrem künstlerischen Blick, forscht, fotografiert, bewegt und komponiert. Schon die Anreise zum Ralzhof ist intensiv. Silke trifft Angelika an einer S-Bahn-Station des Wörthsees bei München und gemeinsam fahren sie in der Hitze des 3. Juli nach Salem am Bodensee.

Der rege Austausch beginnt sofort: Was ist bereits gewesen, welche Erfahrungen haben wir gemacht, welche Ideen gibt es für den Ralzhof? Mit Angelika knistert es sofort in der Kreativitätskiste.

Im Laufe unserer bisherigen Reise haben wir wundervolle Menschen und Höfe kennengelernt und faszinierende Informationen über ihre Arbeit mit Pflanzen und Saatgut gesammelt.

Was fehlt uns noch im Rahmen unserer Recherche? Das Thema der Pflanzenzucht!

Für unser Projekt SEEDLING ist das ein weiterer Kernaspekt. Welche Formen der Beeinflussung gibt es im Bereich der Züchtung und welche „Ideen-Samen“ stehen hinter ihnen?

Bisher haben wir Menschen besucht, die Saatgut nutzen und vermehren. Nun kommen wir zu den Experten, die züchten – und zwar „on farm“, nämlich direkt auf ihren Höfen, nicht im Labor!

Gemüse–Züchtung

Hof 5: Ralzhof
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Vera erzählt uns, wie wichtig die Umgebung und deren bewusste Gestaltung speziell für die Züchtung von Kulturpflanzen ist.

Das Saatgut und die daraus heranwachsenden Pflanzen nehmen u.a. die Bewegungsqualitäten von Tieren in ihrem Umfeld auf.

Man kann es sich am besten so vorstellen, dass wir sofort viel fröhlicher und leichter werden, wenn ein vor Begeisterung sprudelndes Kind überraschend in die Wohnung „geschneit“ kommt. Sofort übertragen sich diese Lebendigkeit und Lust an der Bewegung. Für unsere Pflanzen gilt dasselbe.

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Aufwärmtraining & Finetuning

Hof 5: Ralzhof
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Was uns nährt

Hof 5: Ralzhof
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Jedes Essen das Iris zaubert, ist ein Übertraum! Das Gemüse und die Salate sind ohnehin schon ein Gedicht, und Iris toppt das Ganze noch mit ihrer liebevollen und gekonnten Zubereitung. Ganz besonders spannend finde ich, dass sie auch deftige Speisen mit einem Hauch selbstgemachter Marmelade bereichert. Einfach lecker!

Zu Beginn der Mahlzeit lesen Vera und Iris immer einen passenden, inspirierenden Text oder wir singen gemeinsam. Auch das ist eine bewusste Gestaltung des Umfeldes und des Lebens.

Nahrung für Körper, Geist & Seele.

Für das Mittagessen wählt Vera sorgfältig ein paar Salate ihrer neu gezüchteten Sorte aus. Silke ist ziemlich erstaunt, dass sie in dem Zuge Salatköpfe, die nicht perfekt sind, wieder auf den Acker wirft. – Die könnte man doch trotzdem gut essen? Vera erklärt, dass sie als Züchterin mit einer riesigen Auswahl nur die zweitbesten (!) Salate für den eigenen Tisch auswählt. Die besten werden Saatgut.
 
Ist das nun Verschwendung oder steckt vielleicht sogar ein guter Grund dahinter?
Was wir uns meist nicht bewusst machen:
der Boden, unsere Erde, muss natürlich auch „essen“ – und das am besten hochwertig und richtig gut! Indem Vera die Salatköpfe bzw. -blätter ganz gezielt zurück auf den Acker wirft, verschwendet sie sie nicht, sondern gibt sie der Erde zurück und bringt ihr somit Nahrung dar.
 
Uns wird angesichts dieses für die Züchterinnen ganz selbstverständlichen Vorgehens noch einmal mehr klar, dass die Erde selbst ein lebendiges Wesen ist – und zwar ganz konkret, nicht nur sinnbildlich oder als romantische Vorstellung. Das Prinzip von Kompost, auf dem die Gartenabfälle gesammelt werden und dort wieder zu Nahrung werden, ist dasselbe. In jeder Form biologischer Wirtschaft steht dieser Nahrungskreislauf im Mittelpunkt.
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Die Natur schenkt uns eine unglaubliche Fülle. Wenn wir Feldfrüchte auf den Acker zurückgeben, ist das wie Düngen. Vera erzählt, dass man oft richtig dabei zuschauen kann, wie die Salatblätter ganz schnell in den Boden „eingezogen“ werden und sich dafür extra kleine Löcher in der Erde bilden. Damit fällt uns wieder Dietmar vom Biohof May ein, der uns erklärte, wie viele unzählige Lebewesen es in der Erde gibt. Diese Erdbewohner, wie Regenwürmer und unterschiedliche Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Algen), arbeiten von unten mitWürmer lockern die Erde auf, Asseln sorgen für die Zerkleinerung von Pflanzenresten, die sie dann im Darm zu Humus umwandeln. Unzählige kleine „Arbeiter“ bestellen für uns eine gesunde Erde.

Hintergründe zur Demeter–Züchtungsarbeit

Hof 5: Ralzhof
Seit 1924 bewirtschaften Demeter-Betriebe ihre Felder biodynamisch und züchten seit den 1970er Jahren Gemüsepflanzen. Für die biologisch-dynamische Züchtung ist jede Art von manipulativer Einflussnahme auf Zellniveau (z.B. Genmanipulation) ausgeschlossen.
 
Die ZüchterInnen machen sich stattdessen Gedanken darüber, wie sich ein Pflanzenleben gestalten soll und wie daraus gesunde Nahrungsmittel entstehen, die den Bedürfnissen und ethischen Vorstellungen der Demeter-Gemeinschaft entsprechen und letztlich uns Menschen in unserer Gesundheit und Entwicklung unterstützen. Es geht nicht darum, ein Produkt zu erschaffen, sondern lebendige Nahrung!
 
Im Hofgut Rengoldshausen begann Brigitte von Wistinghausen 1985 mit der biologisch dynamischen Züchtung. Der Samenbau wurde 2000 auf den Ralzhof ausgelagert. Diese Aufgabe hat Brigitte von Wistinghausen an Vera Becher 2004 weitergegeben. Iris kam 2013 dazu. So hat dieser wichtige Bereich eine noch gar nicht so lange Geschichte auf dem Ralzhof und trotzdem geht von hier eine große initiative Kraft aus.

Auch Mohn bauen Iris und Vera an. „Freu–Gemüse“ nennen sie diese wunderschönen Blüten. Eine Augenweide.
Sollen wir hier performen? Wenn es nur etwas weniger regnen würde…
Wir könnten baden in dieser betörenden Intensität des Mohnfeldes.

Angelika, Eva und Silke skizzieren jeweils ihre Eindrücke vom Hof und die vielen verschiedenen Ebenen, auf die wir stoßen. Es gibt so eine Vielfalt am Ralzhof von Blumen und Gemüsepflanzen, den vielen Tieren, die die Bewegung am Ralzhof verkörpern, die Musik, die in die Arbeit mit den Samen und Pflanzen einfliesst… Vera und Iris eröffnen uns unzählige spannende Welten.

Erster Brainstorm zu unserer Performance

Hof 5: Ralzhof
Hof 5: Ralzhof

Unsere große Frage ist: Welche Gesamtkunst–Performance will hier entstehen?
Zum ersten Mal seit dem Beginn von SEEDLING stellt Silke die Frage an unseren Partnerhof,
an Vera und Iris:

Was wünscht ihr euch von uns?
Womit sollen wir arbeiten?

Hof 5: Ralzhof

Silkes Frage an Vera und Iris, welche Art der Arbeit sich die beiden vom Seedling-Team wünschen, ist nicht auf mangelnde Ideen zurückzuführen. Es gäbe unendlich viele inspirierende Möglichkeiten, auf dem Ralzhof kreativ zu werden. Die in allen Farben blühenden Felder, die verschiedenen Pflanzenpersönlichkeiten, die ganz unterschiedlichen Locationseine ganze Palette liegt ausgebreitet vor uns. Aber nichts fühlt sich so an, als sollten wir es „bearbeiten“. Während sich Eva ganz ihrem Vlies widmet und auf ihre Art erspürt, was sich dadurch ausdrücken möchte, ziehen sich Angelika und Silke auf die Anhöhe zu den blauen Blüten des Natternkopf-Feldes zurück. Wir blicken auf den Ralzhof, ein Vierseithof der umringt ist von einer atemberaubenden Natur, die uns irgendwie an die Rocky Mountains erinnert. Unsere Aufmerksamkeit aber zieht uns immer wieder zur großen Linde in der Mitte des Ralzhofs, zum Kern. Wir spüren: da ist etwas, das uns irritiert…, etwas Tiefes, Dunkles, eine Art Sog, wie ein versteckter Brunnen.

Ohne, dass wir etwas von unserer Wahrnehmung erzählen, antworten Vera und Iris spontan und übereinstimmend auf Silkes Frage nach deren Wunsch: Arbeitet doch mit der Hofpersönlichkeit!

Hof 5: Ralzhof
Hof 5: Ralzhof

Was bedeutet eine Hofpersönlichkeit & warum ist sie so wichtig für unser Projekt?

Hof 5: Ralzhof
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1) Reflexion: Wir sind mitten in unserem SEEDLING-Projekt angekommen: Der Ralzhof ist der 5. Hof von 9 Partnerhöfen. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, dass wir uns zwar konkret mit dem Saatgut beschäftigen, aber jeder Hof und jeder Ort, den wir besuchen, eine ganz eigene Geschichte, eine ganz eigene Persönlichkeit hat. Für uns ist es nicht möglich reine Informationen künstlerisch zu verarbeiten. Auch wenn alle unsere PartnerInnen eine ähnliche Arbeit tun, hat doch jede:r Einzelne eine komplett andere Herangehensweise. Wie Vera und Iris es beschreiben: das Umfeld ist so wichtig, um gute Samen zu erhalten. Und ist es nicht exakt das Selbe für uns Menschen?

Jeder Hof hat durch die „Energie“ des Ortes, durch die dortige Bodenbeschaffenheit, durch die Menschen und deren besondere Interessen und Schwerpunkte eine komplett andere Atmosphäre, eine andere Ausrichtung, fast einen anderen „Geschmack“. Wir können gar nicht anders, als uns diesen Phänomenen aussetzen. Was schwingt an diesem Ort? Was können wir dort beitragen? Welchen künstlerischen „Fußabdruck“ können wir hier hinterlassen? Welche Aufgabe haben wir hier? Und welche Geschichte wird hier erzählt oder möchte hier erzählt werden?

2) Unsere Arbeit: Es wird uns immer deutlicher: In diesem Projekt geht es um etwas wirklich Großes!

Die Samen selbst sind winzig, die Bedeutung dieser Lebensfunken aber ist immens.

Viel größer noch, als wir es uns je hätten träumen lassen. UND: Wir arbeiten auch mit den Höfen selbst – genau wie mit den Menschen, die auf diesen Höfen wirken und wahre Wunder bewirken.

Da öffnen uns Pioniere die Türen zu ihren Schatzkammern, zu ihrem tiefen Wissen, zu einer Essenz von Leben. Hier ist von uns Künstlerinnen eine so große Achtsamkeit gefragt, um diesem echten Leben nichts Künstliches aufzustülpen. Nein. Hier können wir nicht einfach „Bewegungsstudien“ machen. Die Zeit auf den Höfen ist so kostbar, dass wir zunächst aufsaugen und wahrnehmen müssen, was dort bereits ist. Dazu braucht es Stille, Zuhören, Lauschen. Am liebsten würden wir viel mehr Zeit auf den Höfen verbringen. Die braucht es einfach, um diese tiefen Erfahrungen und das Wissen im wahrsten Sinne des Wortes durch Mark und Bein fließen zu lassen.

Hof 5: Ralzhof
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3) Geschichte: Der Ralzhof war spätestens seit 1469 viele Jahrhunderte lang Poststation auf der Strecke Wien-Paris. Das heißt, wir sind hier auf einem Hof mit langer Geschichte angekommen, an dem das Thema Reisen, Durchreise und Begegnungen von vielen unterschiedlichen Menschen seit Jahrhunderten präsent ist. Jeder Ort ist auch ein Speicher von Erinnerungen, der Schwingungen all dessen, was dort stattgefunden hat. So ist es nicht verwunderlich, dass diese gespeicherten Geschichten auch hier präsent sind und mit und neben der intensiven Arbeit von Vera und Iris (auch auf uns) wirken. Man spürt diesen „Gedächtnis-Speicher“ an vielen geschichtsträchtigen Orten: das kann Leichtigkeit und künstlerische Schaffenskraft ebenso sein wie Schwere oder Umtriebigkeit etc..

Reisen in der damaligen Zeit bedeutete Handel, Austausch, Auseinandersetzung mit Neuem, vielleicht auch Aufeinanderprallen von Welten; es konnte sicher lustig, inspirierend und schön sein. Man kann sich aber auch die Strapazen und ggf. Konflikte vorstellen, die es hier gegeben haben könnte.

Eva sagt, dass ihr auf keinem Hof so deutlich bewusst wurde wie hier auf dem Ralzhof, dass wir Menschen Gäste sind in diesem schönen Leben, und dass wir wieder gehen werden. Wir spüren die lange Geschichte des Ralzhofs, ein Kommen und Gehen seit Jahrhunderten.

Hier anzukommen heißt auch in ein Wirkungsfeld einzutauchen, das Eigene hinzuzufügen und weiter zu gehen. Lebendig pulsierend ist der Ort mit allen seinen Kräften.

Während die Wirkungsstätten, Felder, Gewächshäuser und Scheunen von Iris und Vera blühend, pulsierend, kreativ und duftend sind, nehmen wir um die alte Linde in der Mitte des Hofes noch belastende Geschichten aus der Vergangenheit wahr.

Hof 5: Ralzhof

Darauf nehmen wir in unserer künstlerischen Arbeit Bezug: sowohl im Vlies als auch der Performance.

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Ackervlies

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Eva: „Am Anfang eines jeden Hofes steht die Frage: „Was ist die Grundfarbe für das Vlies auf diesem Hof?“

Auf dem Ralzhof kam die Antwort: Dunkel. Dunkel ist nicht Schwarz, es ist vielmehr eine Mischung aus vielen Farben, die Anthrazit ergibt. Dunkelheit ist geheimnisvoll, etwas vollzieht sich im nicht sichtbaren RaumDer Same wird in die Erde gelegt, so kommt das Licht, das im Samen wohnt, in den dunklen Raum und genau da vollzieht sich der Anfang, die Wandlung, das Keimen – die neue Pflanze beginnt zu wachsen.

Eva malt ein sehr großes Tuch und dann noch ein zweites. Für unsere Performance arbeiten wir mit dem Tuch weiter, jedoch nur mit kleinen Abschnitten. Gold ist der Gegenpol zum anthrazitfarbenen Untergrund. Es steht für das Leben, die Lebendigkeit und die Farbigkeit am Ralzhof, das auf dem Hintergrund der bewegten Vergangenheit glänzt.

Gold…das Licht strahlt
besonders im Dunklen!

Es entstehen Zeichen für Schutz und Segen auf den beiden Tüchern – für den Ralzhof und alle seine Bewohner:innen.

Eva, Silke und Angelika arbeiten gemeinsam am Vlies und lassen Stück für Stück die Performance entstehen. Aus Ästen flechten wir Ringe, auf die die Vliese aufgespannt werden. Es ist Juli und der Regen begleitet uns.

Aufräumen und Einrichten

Die ganze Liebe und Hingabe der biologischen Saatgut-Züchterinnen fließt in die Qualität des Umfeldes und die äußeren Bedingungen, die durch uns Menschen gestaltet werden. Die Ansätze hierfür sind vielfältig und kreativ und damit durchaus vergleichbar mit den diversen Ansätzen in künstlerischer Arbeit. Jede:r Saatgut-Züchter:in und jede:r Künstler:in hat eigene Schwerpunkte und Herangehensweisen.

So erschaffen wir für unsere Performance zunächst auch eine optimale Umgebung. Dabei spielt zuallererst das „Aufräumen“ eine wichtige Rolle. Wir gestalten die Mitte des Hofes, kreieren aus den Setzlingen in Töpfen einen Kreis mit verschiedenen Ein- und Ausgängen, erschaffen und platzieren Symbole – dort, wo es sich „richtig anfühlt“. Wir integrieren den alten Ofen, der längst auf den Abtransport zum Wertstoffhof wartet. Direkt unter der Linde und um sie herum entsteht Stück für Stück unsere Bühne, der Performance-Space. Wir haben nur ein paar Stunden Zeit, denn die nächste Regenphase ist bereits angekündigt und wir möchten, dass unsere 15 Zuschauer:innen trocken zusehen können.

Während der Konzentration auf die Bühne und ihre Gestaltung entsteht gleichzeitig unser Stück. Zum ersten Mal performen wir drei – Eva, Angelika und Silke – gemeinsam, und auch Nadine ist ein wichtiger Teil der Performance, in der sie quasi aus dem „Blauen heraus“ erahnen muss, wie sie uns auf der großen Spielfläche am besten mit ihren Kameras einfängt.

Wir arbeiten am und im Kern des Ralzhofs. Zunächst darf sich das „Feld“ neu ordnen, soll das Umfeld stimmen, bevor wir den „Performance-Samen“ in guter Qualität pflanzen können. Wir empfinden den Hof wie ein schillernd-lebendiges buntes Band um diese nicht ganz greifbare dunkle Mitte. Plötzlich zeigt sich, dass das Dunkle einen Kontrast darstellt, der das Leuchten der paradiesischen Umgebung, die die Züchterinnen hier erschaffen haben, um so kraftvoller strahlen lässt. Auch das Samenkorn gedeiht im Dunklen und bahnt sich dort seinen Weg, bevor es sich zum Licht aufrichtet.

Performance

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Eva sagt: „Der Ruf der „Hofpersönlichkeit“ lässt uns mit unserer Performance ein Stockwerk tiefer steigen. Wir kommen nicht bis auf den Grund des Geheimnisses, aber was wir finden, ist reichhaltig und lädt uns ein, damit zu arbeiten und mit unserer Performance zu Klärung beizutragen.

Inmitten einer strahlend paradiesischen Landschaft, wo alles wächst und gedeiht, in einer Fülle und Pracht, die man sich nur erträumen kann, lebt auch Dunkelheit. Sie löst ein schmerzliches Ziehen aus, denn alles will weitergehen, sich wandeln, sich dem Licht entgegenrecken und strecken.

Angelika Warmuth ist sowohl Performerin als auch Musikerin. Sie nutzt für die musikalische Begleitung der Performance ganz bewusst Materialien vom Hof. Sie spielt auf Eimern, auf dem majestätischen Scheunentor und nutzt verschiedenste Zweige als Schlägel und Blätter als eine Art Rassel. Zusätzlich begleitet sie uns mit ihrer ausdrucksstarken Stimme.

Veras Steinorgel

Unsere Performance wird durch eine weitere Musikerin bereichert: Vera und Silke holen morgens um 7:00 Uhr Veras Steinorgel vom Dachboden. Es ist nass und klamm und wir tragen die einzelnen, schweren Steinscheiben und das Gestell die vielen Treppen hinunter auf den Anhänger des Traktors, um das Instrument möglichst unkompliziert zum Spielort zu fahren.

Die Steinorgel–Musik klingt sphärisch und gleichzeitig durchdringend. Ohne Absprache erspürt Vera den richtigen Zeitpunkt, um in die Vorstellung einzusteigen. Ein intensiver Prozess und Austausch entsteht durch und während des Musizieren, Tanzens und Performens.

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Vera ist Gärtnerin und Musikerin und beides beflügelt sich. Die wortlose Kommunikation, die sie mit ihren Pflanzen umsetzt, die Qualität ihres Lauschens, ihre Wahrnehmung wird auch in ihrer Musik spürbar, ein weiterer Samen der Achtsamkeit.

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Samengewinnung der Kamille

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1) Ernte

Wir erleben während unseres Besuchs auf dem Ralzhof ganz direkt den Prozess der Samengewinnung – die Kamillen-Ernte. Um wirklich gutes Saatgut zu gewinnen, sind zahlreiche einzelne Arbeitsschritte nötig, die Hand in Hand gehen müssen. Es kommt jedoch immer wieder zu Bedingungen, die nicht vom Menschen steuerbar sind. Wir werden Zeugen der Sorge um die reifen Samenträger, denn seit Tagen hat es immer wieder geregnet und die Pflanzen konnten nicht geerntet werden. Wenn man die Ernte zu lange aufschiebt, können die Samen ihre Keimfähigkeit verlieren.

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Glücklicherweise gibt es kurze regenfreie Zeitfenster, während derer es trocken ist und die Pflanzen geerntet werden können. Die Kamille wird direkt am Feld in großen Tüchern gesammelt und von dort in den riesigen Trocknungsraum im Dachgebälk eines der Wirtschaftsgebäude gebracht.

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2) Trocknung

Der nächste Schritt auf dem Weg zu wertvollem Saatgut ist das Trocknen. Der Dachraum der großen Scheune ist das ehemalige Heulager am Ralzhof. Mit seinen Öffnungen ist er so gebaut, dass er ein natürliches Belüftungssystem hat. So ist die Scheune für die Samengewinnung eine enorm wichtige Betriebsstätte. Es weht immer eine leichte Brise hindurch, so dass in diesem Luftzug die Pflanzen schonend getrocknet werden.

Aber das Wetter spielt auch hier eine enorme Rolle, denn nur Luft mit einem niedrigen  Feuchtigkeitsgehalt kann das Wasser der Pflanzen aufnehmen, so dass sie trocknen können. Zu einer guten Saatgutgewinnung gehört also auch eine permanente Tüchfühlung mit dem Wetter und allen Umständen.

Throninstallation

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Wir bauen den goldenen SEEDLING Thron im Trockenlager der großen Scheune auf – dem Herzstück der Saatgut-Arbeit. Hier wurden kurz zuvor die Samenträger der Kamille in großen Mengen eingelagert. Deshalb sind die frisch geernteten Kamillepflanzen der Schmuck für den Thron, den Eva für Iris und Vera vorbereitet. Der intensive Duft frischer Kamille weht uns beim Schmücken des Throns und dem Aufbau des Filmsets um die Nase. Und inmitten der Kamillen-Fülle und des betörenden Duftes der ätherischen Öle führen wir unsere Interviews mit unseren beiden Gastgeberinnen und Expertinnen.

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Ackermusik & Abschied mit Regenbogen

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Unsere intensive Zeit am Ralzhof ist geprägt von Forschung rund um Saatgutzucht und unserer künstlerischen Umsetzung und endet mit einer Einladung. Vera und Iris zelebrieren ein spezielles Acker-Event, das kurze Zeit nach unserer Performance stattfindet. Vera musiziert für die Landschaft und die Kulturpflanzen.

„Ich musiziere nicht für eine spezielle Pflanze oder eine spezielle Kultur. Ich denke Musik für den ganzen Acker.“

An diesem Abend spielt Vera mit ihrer Steinorgel, mit der sie uns zuvor bei der Performance begleitet hat. Steine können klingen. An einem Holzgestell sind unterschiedlich große, flache Steinscheiben angebracht. Die mit Wasser benetzten Steine erklingen durch das Streichen der Hände mit sphärisch anmutenden Klängen.

Während unserer Tage hier am Hof gibt es nur wenige regenfreie Stunden am Stück. Wie bestellt bleibt es bei unserer Performance und der festlichen Ackermusik trocken. Als zusätzliches Himmelsgeschenk spannen sich zwei leuchtende Regenbögen über die Landschaft aus. Die Sonne geht langsam unter und taucht Hof, Gewächshäuser, Felder und die gesamte Landschaft in goldenes Licht. Mit dem letzten Ton schaffen wir es gerade noch, die Instrumente und uns selbst ins Trockene zu bringen, bevor es wieder anfängt zu gießen.

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