Domaine Fredeburg
Seedling-Partnerhof Nr. 8
Im Sinne der Gemeinschaft setzt sich Arne mit seinen Fredeburger Mitstreitern für den Erhalt und die Neuzüchtung ökologisch wertvoller Gemüsesorten ein.
In der Hofgemeinschaft gastieren immer wieder verschiedene Künstlerinnen und Künstler. Ohnehin dreht sich in der Domäne viel um Kulturpädagogik, die Landwirtschaft mit verschiedenen Kulturprogrammen am Hof vereint.
31.07. – 06.08.21: Seedling on Tour zu Gast bei der
Domaine Fredeburg, Domänenweg 1, 23909 Fredeburg
Ankommen ist immer zuerst staunen. Eva ist völlig begeistert von den Gästezimmern, die nach den 4 Elementen, Feuer, Wasser, Luft, Erde benannt sind und über dem großen Hofladen der Domaine Fredeburg liegen. Im Café, das im Hofladen integriert ist, lädt eine großzügige Terrasse ein, leckere selbstgemachte Speisen vom Hof zu genießen: Suppen, Quiches, Salate und natürlich Kuchen aller Art.
Domäne Fredeburg – was für ein großer Name und was für eine großartige Arbeit, die hier gemacht wird! Und dabei hat alles auch hier ganz klein angefangen… Die Hofgemeinschaft startete ihre Bewirtschaftung 1991. Jeder Betriebszweig musste neu gedacht und entsprechende Räume gebaut oder instand gesetzt werden. Die große Idee einen biologisch-dynamischen Hof aufzubauen wurde über Jahre hinweg mit viel Geschick umgesetzt. Heute arbeiten hier mehr als 50 Menschen. Viele Ideen sind voll aufgeblüht und entwickeln eine enorme Strahlkraft auch über die Region hinaus.
Schon im Laufe unserer ersten Führung auf der Domäne Fredeburg wird deutlich, wie vielfältig und intensiv hier gearbeitet wird. Wir lernen die Flächen kennen, auf denen Gemüse angebaut wird. Weit zieht sich das zum Hof gehörige Gelände auseinander. Der Hof selbst streckt sich mit seinen Wirtschaftsgebäuden nicht um eine Mitte, so dass ein Innenhof entsteht, sondern entlang einer Straße, die in eine viel befahrene Bundesstraße mündet. Kommen und Gehen steht hier an der Tagesordnung. Umso erstaunlicher ist es, dass sich gerade hier Menschen gefunden haben, die als Gemeinschaft schon viele Jahre zusammenleben und arbeiten. Drei von den vier Paaren, die den Hof gestartet haben, leben auch heute noch hier und haben diese vielen Jahre miteinander geteilt – ein soziales Kunstwerk!
Eva und Silke haben, vom Christiansen’s Biolandhof kommend, nur eine kurze Anreise und können gleich morgens um 10 Uhr an der öffentlichen Führung von Arne von Schulz und Frederik Buhk auf der Domaine Fredeburg teilnehmen.
Am Nachmittag kommt SEEDLING–Musikerin Anja Günther aus Würzburg angereist und begleitet uns auf diesem Hof für drei Tage.
Gemeinsam lassen wir das riesige Areal der Domaine Fredeburg auf uns wirken und besprechen erste Eindrücke. Künstlerische Fußabdrücke gibt es hier schon etliche zu finden und wir bereiten uns auf die unseren vor.
Auf der Domaine Fredeburg gibt es Ackerbau für Getreidekulturen, Gärten und Felder mit Gemüseanbau, Saatgutzüchtung, eine Käserei, sowie die Vermarktung über den imposanten Laden. Und es gibt Raum für Tiere, wie Schweine, Kühe, Hühner, Katzen und Hunde.
Es zieht uns in den wunderschönen Offen-Kuhstall zu den sensiblen Kälbern und Jungkühen. Hier, unter dem riesigen Dach, das fast schon wie ein Kirchenschiff anmutet, zwischen Stroh und Kühen wäre ein wunderschöner Ort für eine Performance!
Wir „unterhalten“ uns mit den Kühen und überlegen, inwieweit hier eine Saatgut Performance möglich wäre und ob wir die feinen Tiere überfordern würden. Allerdings ist es relativ kalt und der Stall zugig. Unser geplantes Bühnenbild wäre deswegen gleich von mehreren Seiten gefährdet. Die langen Zungen unserer „Zuschauerinnen“ könnten unsere Installation genauso zum kippen bringen, wie der Wind.
Aber natürlich reizt es uns, zu sehen, wie die Kühe auf Anjas Hang-Musik reagieren. Die Schweine am Biohof May waren ja höchst erfreut.
Tiere reagieren so stark auf Klänge und Musik, wie wir nun selbst an mehreren Beispielen erleben durften. Unsere ExpertInnen auf den SEEDLING-Partnerhöfen meinen, dass Pflanzen und Samen ebenso empfindsam reagieren. Sie arbeiten mit dem Umfeld der Pflanzen, um deren Lebendigkeit, deren „Energie“ zu erhöhen und stecken selbst ihre ganze Energie, Achtsamkeit und Sensibilität hinein, um immer weiter zu beobachten und zu forschen – genau wie wir KünstlerInnen das auch tun. Und bei uns Menschen ist es ja im ganz normalen Leben genauso. Es macht einen Riesenunterschied für unser Gemüt, unsere Energie und selbst unseren Körper, in welchem Umfeld wir uns bewegen oder entfalten (dürfen).
Wie könnte es also sein, dass Gemüse, das unachtsam oder sogar manipuliert im Labor, maximiert mit Genschere und Co hochgezogen wird, uns im Kern „nähren“ kann? Was passiert dadurch in und mit uns Menschen?
Wir bekommen den wunderschönen, lichten Seminarraum der Domaine Fredeburg für die fünf Tage Recherche- und Arbeitszeit gestellt, wo wir uns aufwärmen, proben, aber auch Entdeckungen besprechen und Foto- und Filmmaterial bearbeiten können. Wir blicken bereits auf sieben SEEDLING-Partnerhöfe zurück und können anhand des entstandenen Materials sehen, woran wir bereits wie gearbeitet haben.
Arne von Schulz, der auf der Domaine Fredeburg hauptverantwortlich für die Saatgutzüchtung ist, nimmt sich Zeit: er zeigt uns seinen Arbeitsplatz, seine Kulturen in den Gewächshäusern und den Ort, an dem er das Saatgut aufbereitet, das er züchtet und vermehrt.
Es erfordert komplexe Vorgänge, bis eine Pflanze ausgereiftes Saatgut darbringt. Ein bis zwei Jahre werden die Pflanzen behütet, beobachtet und gepflegt, bis geerntet werden kann.
Nach der Ernte ist die Aufbereitung des Saatguts ein weiterer komplexer Vorgang. Es ist notwendig, die kostbaren Samen von anderen Partikeln wie Staub, Blattresten und Fremdsämereien zu trennen. Dazu gibt es zahlreiche Hilfsmittel, von großen Reinigungsmaschinen bis hin zu Sieben, die in Handarbeit bedient werden.
Bis zuletzt ist große Konzentration und Beobachtungsgabe wichtig, damit das wertvolle Saatgut sortenrein zur Verfügung steht.
An dieser Stelle unser Dank auch an die Kulturleistung unserer Ahnen, die dafür das notwendige Wissen weitergegeben und die entsprechenden Maschinen entwickelt haben.
Arne von Schulz erzählt uns: „Die Demeter-Präparate-Arbeit hört sich so nach Hokuspokus an – und das ist sie auf eine Art auch.
Im dynamisch-biologischen Anbau geht es nicht darum Raubbau zu betreiben. Unser Anliegen ist es, lebendige Nahrungsmittel, Gemüsepflanzen, anzubauen, die Lebenskräfte vermitteln, denn es geht um die Energie in der Nahrung und nicht um die Stoffe.
Wir ernten beziehungsweise verkaufen keine „Stoffe“, sondern wir kümmern uns darum Lebenskräfte zu erwecken. Wenn es um die Stoffe in der Nahrung ginge, dann würden wir in nullkommanix unaufhörlich in die Breite wachsen. Die meisten „Stoffe“ scheiden wir aber wieder aus. Es geht letztlich um das, was an Energie und Lebensenergie, das heißt an Information in den Lebensmitteln ist. Und genau das verkaufen wir hoffentlich! Wir arbeiten daran, diese Kräfte zu stärken und zu unterstützen: also weniger die Stofflichkeit zu unterstützen, sondern vielmehr die Lebenskräfte zu stärken und zu mobilisieren.
Ich erkläre es an einem Beispiel, das jeder kennt: Wenn wir verliebt sind, werden auf der Stelle unglaubliche Kräfte mobilisiert. So ähnlich muss man sich das mit der Demeter-Präparate-Arbeit (siehe Demeterhof Funk – Seedling Hof 6) vorstellen. Wenn die Präparate gut gemacht sind und gehandhabt werden, dann können dadurch erhebliche Lebenskräfte in den Gemüsepflanzen mobilisiert werden.“
Eva erzählt: „Am ersten Tag meiner Malarbeit wähle ich als Farbe das Gelb als Malgrund. Eine wunderschöne gelbe Blume, die Echinacea, regt mich dazu an. Gelb hat als Farbe eine große Strahlkraft und das passt sehr gut zum Hof, denn auch die Arbeit auf dem Hof hat eine enorme Strahlkraft. Diesen Farbton kann ich im Logo der Domaine Fredeburg finden und auch deshalb ist sie sehr passend.
Am zweiten Tag des Malprozesses setze ich Zeichen in das Tuch. Es sind die gelben Echinacea-Blumen, sowie Blätter und Symbole für die Züchtungsprozesse auf dem Hof. Da gibt es ein Zeichen für den Ursprung – die Spirale und ein Bild für das entstehende Saatgut – goldene Punkte.
Später wird Arne in seinem Interview darüber sprechen, dass er Samen in seinen Händen als etwas sehr wertvolles erlebt – wie Gold.“
Unsere Musikerin Anja und Silke entdecken noch ganze andere Aspekte in den Saatgutsieben. Man kann damit Musik machen. So eingestimmt finden wir überall Klänge.
Klangspielforschung: Anja entdeckt, dass die Hängebrücke, die zum phantasievollen Kinderspielplatz der Domaine Fredeburg gehört, klingt! Anja verwandelt sie mit zwei gefundenen Holzstöcken als Schlägel in ein überdimensionales Xylophon. Sie überrascht uns und die Bewohner der Domaine Fredeburg mit den Melodien des Hofes, die nur hier so eigenwillig gespielt werden können.
Nach der Grundierung und Trocknung lässt Eva im zweiten Schritt diverse Kunstwerke entstehen. Neben den großformatigen Vliesgemälden, die innerhalb des Performance-Projektes SEEDLING on Tour, die Atmosphäre und Themen der Partnerhöfe einfangen, entstehen auch Bühnenrequisiten.
Zu Beginn der Performance trägt Eva einen großen spitzen Hut und sät Getreide aus einer Saatwanne.
Eva erklärt: „Der Hut weist darauf hin, dass neben den irdischen Kräften auch die himmlischen Kräfte für das Gedeihen der Saat wichtig sind. Das Saatgut wird in die Erde gestreut und von oben braucht es Regen, Wind und Sonne. Und es braucht noch etwas mehr, für das es keinen Namen gibt… das symbolisiert das schöne Gebimmel des Glockenspiels, das im Performance-Hut untergebracht ist und das bei jeder Bewegung erklingt.“
Arnes Züchtungsarbeit steht im Fokus seiner Aufmerksamkeit. Wir stellen den Thron neben Pflanzen, die er über viele Jahre selektiert hat und die bald geerntet werden können.
Es ist seine Möhre Nordelika.
Sie ist aus der Anpassung an die Lichtverhältnisse und die klimatischen Bedingungen des Nordens entstanden. So wurde aus der Sorte Rodelika die Nordelika. Diese wertvollen Samenträger wollen wir nicht voreilig ernten, um damit den Thron zu schmücken. Wir würden damit die Keimfähigkeit gefährden, denn der Erntezeitpunkt ist enorm wichtig.
So steht der Thron neben den Pflanzen und Arne sitzt mitten im Gewächshaus.
Silke: „Ich hatte bis zum SEEDLING Projekt ziemlich wilde Vorstellungen und Fantasien über die Züchtung von Gemüsepflanzen. Ich hatte so ein Bild, dass an noch nie gesehenen und geschmeckten Gemüsesorten gearbeitet wird, wie an einer Art Fantasiegebilde.
Tatsächlich stellt sich die Gemüsezucht viel handfester und gleichzeitig subtiler dar. Es wird ganz genau hingesehen, beobachtet, wahrgenommen und ausgewählt. Im Fachjargon heißt das Auswählen „Selektieren“.
Dafür gibt es einen großen Kriterienkatalog: Form, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Haltbarkeit, Reifefähigkeit, Farbausprägung, Wüchsigkeit, allgemeine Widerstandskraft, Kompatibilität mit verschiedenen Böden und Wetterverhältnissen… Jedes kleinste Detail spielt eine Rolle. Wie beim Tanz! „
Der Aufenthalt auf der Domaine Fredeburg war für uns so bereichernd! Und trotzdem bekommen wir zum Abschied noch so viele wunderschöne Geschenke für Körper, Geist und Seele und natürlich fürs Herz.
Für Silke sind es fast 900 km von der Domaine Fredeburg nach Hause an den Starnberger See.
Trotz Kameraequipment, Thron, Kostümen, Requisite… bleibt glücklicherweise immer noch Platz ein gepflegtes Nickerchen einzulegen.